Ordnung im Chaos
Unter dem extrem hellen Röntgenlicht von „PETRA III“, der am Hamburger DESY-Institut beheimateten gigantischen Speicherring-Röntgenstrahlungsquelle, hat ein Forscherteam unter schwedischer Führung das stärkste Biomaterial hergestellt, das je produziert worden ist und aufgrund seiner großen Variabilität einen Einsatz in unterschiedlichste Anwendungen ermöglichen soll
Ein wirklich neues Material ist es im Grunde nicht, das jüngst von sich reden machte. Denn der Rohstoff für das am Hamburger Standort der Helmholtz-Gesellschaft erstmals hergestellte Supergarn ist von der Natur vor Jahrmillionen erfunden worden: Zellulose ist Hauptbestandteil der pflanzlichen Zellwand und kommt dort in Form winziger Fädchen, den sogenannten Fibrillen, vor. Sie sind nur etwa zwei bis fünf Nanometer dünn und bis zu 700 Nanometer lang, wobei ein Nanometer gerade mal ein Millionstel Millimeter ausmacht. Diese Fasern bilden in der Natur die strukturellen Grundbausteine nahezu aller Pflanzen. Welchen Einfluss sie auf die Stabilität beliebiger Strukturen haben können, ist uns von einem der ältesten von Menschenhand gebrauchten Baumaterialien wohlbekannt, denn auch Holz profitiert von den wundersamen Eigenschaften dieser mikroskopisch kleinen Fädchen. Den Unterschied zu bislang ungekannten Festigkeiten markiert allein die strukturelle Anordnung dieser Fibrillen. Im Skelett von Sträuchern und Bäumen völlig chaotisch eingelagert, werden rekordverdächtige Festigkeitswerte erst durch eine parallele Ausrichtung und eine additive Anlagerung der Fasern aneinander erreicht.