Der Liebherr R 9600 steht für die nächste Generation von Hydraulikbaggern für den Bergbau im großen Maßstab
Ein Jahr lang waren die Vorserienmodelle im Bergbau in Australien im Einsatz. Nun fließen die auf dem größten Markt für Mining-Bagger der 600-Tonnen-Klasse gesammelten Felderfahrungen in das endgültige technische Design einer aufwändigen Neuentwicklung ein. Der Liebherr R 9600 ist der Nachfolger der erfolgreichen R 996B-Serie des Herstellers und basiert – wie die geänderte Typenbezeichnung bereits vermuten lässt – technisch auf der Plattform des 800-Tonnen-Topmodells R 9800. Von diesem werden bis Ende des Jahres 2021 insgesamt acht Einheiten auf dem Kontinent im Einsatz sein.
Bis der R 9600 eine ähnliche Verbreitung erreichen wird, dürfte es noch ein wenig dauern. Erst Ende dieses Jahres wird die Serienproduktion anlaufen.
Ein kundenorientierter Ansatz
Bei der Entwicklung dieser neuen Maschine hat der Input großer Mining-Unternehmen eine zentrale Rolle gespielt. Technik-, Vertriebs- und Marketingteams haben Rückmeldungen und Erkenntnisse von Minen-Betreibern, Wartungspersonal und Geschäftsleitungen gesammelt, um ein aktuelles Bild der täglich zu meisternden Herausforderungen und der Kriterien für Investitionsentscheidungen zu gewinnen.
Der neue R 9600 muss in Bezug auf Sicherheit, Leistung, Lebensdauer und Wartungsfreundlichkeit den höchsten Standards gerecht werden. Aus diesen Faktoren ergibt sich letztlich das Maß der Total Costs of Ownership (TCO). So wurden Anfang 2020 nach der Erprobung der ersten Prototypen auf dem werkseigenen Testgelände in Colmar die beiden ersten Vorserienbagger des R 9600 Down under in einer Eisenerz- und einer Kohlemine in Betrieb genommen. Zusammen mit den Liebherr-Kunden BHP und Thiess mussten sich die beiden 9600er einer genauen Validierung unterziehen. Nun ist der R 9600 nach Einschätzung von Liebherr bereit für die Markteinführung.
Vielfältiges Angebot an Antriebssträngen
Ähnlich wie bei den Dinosauriern, von denen die Größten zwei Gehirne besaßen, verfügt das Monster aus Colmar gleich über zwei Kraftquellen: den QSK50 von Cummins in doppelter Ausführung. Zusammen kommt die Antriebssektion damit auf eine Leistung von 2.500 Kilowatt/3.350 PS. Da die Kraftstoffkosten den größten Anteil an den Gesamtbetriebskosten derart gewaltiger Bergbau-Maschinen ausmachen, hat Liebherr zahlreiche Lösungen für die Motor- und Hydrauliksteuerung entwickelt. Diese sollen den Kraftstoffverbrauch erheblich reduzieren, ohne dabei die Gesamtproduktivität der Maschine zu beeinträchtigen.
Für emissionsregulierte Regionen ist auch eine EU-Stufe-V-konforme Version mit neuester SCR-Abgasnachbehandlungstechnologie erhältlich, die den Ausstoß von Stickoxiden drastisch reduziert. Darüber hinaus soll in Kürze für Minenstandorte mit der erforderlichen elektrischen Infrastruktur auch eine Version des R 9600 mit ausschließlichem Elektroantrieb erhältlich sein.
Gewichtsoptimiertes Anbaugerät
Ein intelligentes Komponenten-Design kennzeichnet auch die gesamte Arbeitsausrüstung des R 9600. Liebherr nennt in diesem Zusammenhang in erster Linie Hydraulikzylinder, Löffellaschen und Anbaubolzen sowie insbesondere den patentierten „EVO-Tieflöffel“. Er gehört zur Standardkonfiguration des Baggers und verfügt über ein Heavy-Duty-Verschleißpaket. Sein Fassungsvermögen von 37,5 Kubikmetern gewährleistet ein ideales Zusammenspiel mit Liebherr-eigenen Trucks für den Bergbau.
So soll mit diesem Löffel die Beladung eines T 236-190-Tonnen-Skw in drei Ladespielen, eines T 264 mit 240 Tonnen Zuladung nach vier Ladespielen, des T 274 mit 300 Tonnen Ladekapazität nach fünf Ladespielen und des 375 Tonnen fassenden T 284 nach sechs Ladespielen abgeschlossen sein. Bei Kombination des Riesen mit einer 37,0 Kubikmeter großen Hochschaufel ergeben sich geringfügig geringere Werte. Insgesamt ergebe sich unterm Strich gegenüber dem Vorgängermodell eine spürbar erhöhte Gesamtproduktionsrate, ohne dass eine Beeinträchtigung der Lebensdauer der Komponenten zu befürchten sei.
Enorme Langlebigkeit
Um den R 9600 für den weltweiten Einsatz mit einer Lebensdauer von über 80.000 Maschinenbetriebsstunden zu befähigen, haben die Liebherr-Ingenieure die Oberwagenkonstruktion komplett neu entwickelt. Den bewährten, überaus robusten Unterwagen dagegen unterzog man einer umfassenden Überarbeitung. So verfügt er nun serienmäßig über für die gesamte Lebensdauer versiegelte Schwerlast-Träger- und Laufrollen mit einem patentierten Design von Rollenbahnen und Laufbahnplatten. Außerdem wird die Konstruktion durch ein neues hydraulisches Kettenspannsystem ergänzt. Im Übrigen verweist der Hersteller auf seinen soliden Ruf als Erstausrüster und als Entwickler von hochwertigen Komponenten für den Bergbau.
Die neueste Kabinengeneration
Der Arbeitsplatz des Maschinisten ist bei einem solchen Giganten selbstverständlich mit allen Schikanen ausgestattet. Der R 9600 verfügt über eine brandneue, satte 14 Quadratmeter große Kabine. Eine höchst intelligente Lagerung und ein ausgeklügeltes Kabinendesign sollen ein bemerkenswert geringes Vibrationsniveau gewährleisten und den Geräuschpegel auf 69 Dezibel drücken. Somit komme der Bediener in den Genuss einer wahrhaft komfortablen Arbeitsumgebung.
Um bestmögliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, haben die Liebherr-Ingenieure die Kabine des R 996-Nachfolgers außerdem wieder auf die linke Seite verlegt. Das dient nicht nur der Vereinheitlichung mit anderen Modellen der Baureihe, sondern verhilft zusammen mit einem so weit wie möglich links positionierten Sitz dem Maschinisten auch zu bester Sicht auf das Anbaugerät und den Arbeitsbereich.
Eine hervorragende Ausleuchtung mit dimmbaren LEDs soll das Arbeiten bei Nacht einfacher und sicherer machen. Der Bedienerplatz ist mit modernen Touchscreen-Displays ausgestattet. Darüber hinaus verfügt er selbstverständlich über eine leistungsfähige Klimaanlage, die als modulare Komponente leicht austauschbar ist. Sie kann daher sowohl als Einzel- als auch als Doppelsystem zum Einsatz kommen. Den Bedienerkomfort erhöhen zudem erstklassig gekühlte Sitze und ein HEPA-Filtersystem.
Assistenzsysteme und On-Board-Steuerung
Eine Neuentwicklung, erst recht, wenn es sich um eine derart kostenintensive Investition handelt, kommt heutzutage auch im Bergbau nicht ohne eine umfangreiche Ausstattung mit Assistenzsystemen aus. Zahlreiche On-Board-Anwendungen sollen Maschine und Maschinisten in die Lage versetzen, möglichst effizient zu arbeiten. So soll etwa der Truck Loading Assistant mit einer Messgenauigkeit von 99 Prozent die momentane Schaufelnutzlast ermitteln und diese Informationen dem Maschinisten in Echtzeit zur Verfügung stellen. Eine intelligente Vernetzung soll ihm überdies helfen, die Anzahl der Ladespiele zu ermitteln, die erforderlich sind, um die angestrebte Nutzlast eines gerade vorgefahrenen Skw zu erreichen. Sie bietet umfangreiche Hilfestellungen zum Erreichen dieser Strategie.
Hinzu kommt der Löffelfüllassistent, ein adaptives, halbautonomes Grabungsprodukt, das als Option für die Tieflöffelversion der Maschine erhältlich ist. Er soll eine einfachere und schnellere Befüllung der Schaufel mit einem konstanten Schaufelfüllfaktor selbst unter schwierigsten Grabbedingungen ermöglichen. Dies verbessere die Gesamtproduktivität und reduziere den Ermüdungsgrad des Maschinisten.
Der Steigerung der Sicherheit dient darüber hinaus ein System zur Überwachung des Maschinenumfelds, das aus vier Kameras an strategischen Stellen des rotierenden Oberwagens besteht. Ein spezieller Monitor in der Kabine erstellt daraus eine kontinuierliche 270-Grad-Sicht rund um die Maschine.
Rund-um-die-Uhr-Betrieb und Wartung
Bei der Entwicklung von Liebherr-Produkten steht der Schutz der wichtigsten Vermögenswerte des Kunden im Mittelpunkt. Der R 9600 wurde unter Berücksichtigung der weltweiten Sicherheitsstandards für Bediener und Wartungspersonal entwickelt, so dass die Sicherheit zu jeder Zeit oberste Priorität hat. Bei der Neuentwicklung des Oberwagens des R 9600 spielte auch die Sicherstellung einer möglichst schnellen und einfachen Wartung eine große Rolle.
Alle wichtigen Teile wurden so konzipiert und positioniert, dass sie leicht zugänglich sind. Eine zentrale Serviceklappe ermöglicht den Zugang zu Flüssigkeiten und Schmiermitteln an allen Komponenten und Systemen. Dies reduziert mögliche Stillstandszeiten. Die Befüll- und Entleerungspunkte der Komponenten und Systeme des R 9600 sind außerdem über Schnellkupplungen und Druckentlastungsventile vom Boden aus zugänglich.
Vergrößerte Laufstege mit Handläufen und rutschfesten, gelochten Stufen dienen einer sicheren Inspektion und Wartung auf allen Ebenen der Maschine, einschließlich der Komponenten von Motor und Antriebsstrang. Für maximale Sicherheit beim Zugang zum Oberwagen sorgt außerdem eine hydraulisch gesteuerte ergonomische 45°-Treppe.
Weiterführung der Erfolgsgeschichte
Der vor 25 Jahren eingeführte und kontinuierlich weiterentwickelte R 996 wird vor allem im Bergbau in Australien erfolgreich eingesetzt. Hier sind bzw. waren über 70 Prozent dieser Bagger mit insgesamt 5,5 Millionen Maschinenstunden im Einsatz. Seine Ablösung durch den R 9600 baut nicht nur auf diesem Erfolg auf, sondern ist auch vom größeren Bruder, dem 800-Tonnen-Modell R 9800, inspiriert. Die Maschinen teilen sich eine lange Liste von Komponenten, die sich in der zehnjährigen Einsatzhistorie des Topmodells bewährt haben. Wie bei allen Liebherr-Bergbau-Geräten werden auch die Vorgängermodelle R 996 und R 996B weiterhin mit Aufarbeitungs-, Reparatur- und Kundendienstleistungen unterstützt.