Die Corona-Pandemie könnte sich zu einer weltweiten Krise ausweiten. In vielen Ländern reagieren Architekten, Ingenieure und Designer auf die daraus resultierenden Herausforderungen und entwickeln Lösungen zur Behandlung von Infizierten oder generell auch zur Unterbringung von Menschen, die Opfer solcher Katastrophen geworden sind
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Notfallcontainer als Open-Source-Projekt
Unter Nutzung der Erfahrungen aus Wuhan, wo zur Eindämmung der Corona-Epidemie auf Basis standardmäßiger 20-Fuß-Container innerhalb weniger Tage Intensivhospitale mit 1.000 und mehr Betten aufgebaut worden waren, haben die italienischen Architekten Carlo Ratti und Italo Rota eine in einem solchen 20-Fuß-Container untergebrachte Zwei-Betten-Intensivstation entworfen. Mit Hilfe der „CURA“ (Connected Units for Respiratory Ailments) getauften Einheiten sollen bei Bedarf größere Feldlazarette aufgebaut werden, um Krankenhäuser auf der ganzen Welt zu unterstützen, ihre Intensivstationskapazität zu erhöhen und eine wachsende Zahl von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen zu versorgen.
Entscheidender Gedanke bei der Entwicklung von CURA war die Ausstattung jeder Einheit mit den technischen Einrichtungen zur Erzeugung eines Unterdrucks und der Filterung der dabei angesaugten Luft. Nur so, hatte sich in den Notfall-Kliniken in Wuhan gezeigt, kann medizinisches Fachpersonal vor einem höheren Kontaminationsrisiko geschützt werden.
Diese bewährte Strategie, so Ratti, ließe sich in regulären Krankenhäuser allerdings kaum umsetzen. Die CURA-Pods hingegen würden dieser Forderung gerecht werden und seien so konzipiert, dass sie mit aufblasbaren Tunneln verbunden und so zu größeren Strukturen erweitert werden können.
Der erste CURA-Prototyp ist inzwischen mit Unterstützung der UniCredit in Turin gebaut und innerhalb des Komplexes Officine Grandi Riparazioni im Zentrum von Turin in Betrieb genommen worden. Von Beginn an als Open-Source-Projekt angelegt, beteiligen sich inzwischen weltweit Architekten und Ingenieure an der Weiterentwicklung. Weitere Anlagen sind daher bereits in anderen Teilen der Welt im Bau, darunter in den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kanada.
Mobile HKL-Raumsysteme zur Entlastung der Notaufnahme
Die Nutzung von Containern für die medizinische Versorgung der Bevölkerung während der Corona-Krise hat sich auch beim Klinikum Fürth bewährt. Derzeit dienen zehn mobile Raumsysteme zur Entlastung der zentralen Notaufnahme. Vom nahgelegenen HKL-Raumsystemcenter innerhalb von nur drei Werktagen geliefert und fertig montiert, dient eine aus vier Containern zusammengesetzte Anlage zur Annahme und Sichtung von neuen Patienten unter Einhaltung des notwendigen Sicherheitsabstands.
Bei nicht stationärer Aufnahme erfolgt die weitere ambulante Behandlung und Entlassung in zwei voneinander getrennten Doppelanlagen. Hinzu kommen abschließbare Einzelcontainer für die gesicherte Lagerung beispielsweise von Schutzmasken und -anzügen.
Living Capsule aus Costa Rica
Vom costaricanischen Architekten César Oreamuno stammt der Entwurf einer modularen Kapsel, welche die Grundbedürfnisse von Familien im Ausnahmezustand infolge einer Katastrophe befriedigen soll. Die Einheiten sind anpassungsfähig und leicht zusammensetzbar, um einer Vielzahl von Situationen Rechnung zu tragen.
Die temporären Zufluchtsmodule sind analog der Idee eines Schweizer Taschenmessers konzipiert: Je nach aktuellem Bedarf stellen sie Lösungen für mehrere Bedürfnisse bereit. Diese kommen bei der üblichen Unterbringung von Katastrophenopfern in Gemeinschaftsräumen oder Schulen, so Oreamunos Überlegung, die weder über sanitäre Einrichtungen noch über angemessene Lager- oder Kochbereiche verfügen, zu kurz.
Ausweichen aufs Wasser: Fold and Float
Eine möglichen Katastrophenfall hatten auch Sevince Bayrak und Oral Goktas, die Gründer des türkischen Architekturbüros „SO?“ vor Augen, als sie mit „Fold and Float“ 2018 eine Notunterkunft für bis zu sechs Personen konzipierten. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war das Erdbeben von 1999, das mit einer Stärke 7,4 Teile der Türkei verwüstet und mehr als 14.000 Menschenleben gekostet hatte.
Damals hatte die Stadtverwaltung 477 Freiflächen für die Errichtung von Notunterkünften ausgewiesen, von denen 2018 nur noch 97 Plätze übrig waren.
Logische Konsequenz für sie war das Ausweichen auf in Instanbul in ausreichendem Maße zur Verfügung stehende Wasserflächen. Der entwickelte Prototyp besteht aus einem schwimmenden Ponton aus Beton, über dem sich eine faltbare Struktur erhebt, die als Schutzraum dient und feste Möbel enthält. Nach den Berechnungen von SO? würden etwa auf dem „Goldenen Horn“, einem in der Stadtmitte von Istanbul gelegenen Meeresarm am Bosporus, bis zu 180.000 dieser Strukturen Platz finden. Untersuchungen des Studios zufolge verbringen Menschen, die durch Erdbeben ihre Bleibe verloren haben, in der Regel ein Jahr in provisorischen Unterkünften.
Lexus Design Award für multifunktionales Zelt
Bereits 2013 mit einem Lexus Design Award ausgezeichnet worden ist die vor allem auf die mittlerweile hinlänglich bekannten Flüchtlingskrisen zugeschnittene Notunterkunft „Weaving A Home“ des interdisziplinären Designers Abeer Seikaly. Das System besteht aus hochfesten Kunststoffschläuchen, die zu Sinuswellenkurven geformt und in eine dehnbare Gewebemembran eingewebt sind. So entsteht ein technisches, strukturelles Gewebe, das sich zu einfachen Zelten formt. Der Clou der Notunterkunft ist die Nutzung der hohlen Kunststoffrohre für die Bereitstellung von Strom zur Beleuchtung, für das Sammeln von Regenwasser und die Warmwasserbereitung.