Carrara-Marmor wird bereits seit Ende der römischen Republik abgebaut. Aber erst der Bildhauer Michelangelo verschaffte diesem Marmor weltweite Berühmtheit
Die Apuanischen Alpen liegen im Nordwesten der Toskana und beherbergen eines der größten Marmorvorkommen der Welt. Seit der Römerzeit wird hier der weltberühmte Carrara-Marmor abgebaut. Mit allen Mitteln der Technik ringt der Mensch dem Berg das wertvolle Gestein ab und transportiert es auf halsbrecherischen Wegen ins Tal, von wo aus seine Reise in die ganze Welt beginnt.
Bereits Michelangelo hat sich hier im 16. Jahrhundert seine gigantischen Marmorblöcke ausgesucht. Trotz moderner Technik wird die Marmorgewinnung größtenteils noch auf traditionelle Weise betrieben. Teilweise unter lebensgefährlichen Bedingungen: Extreme Wetterschwankungen und Nebel erschweren den Einsatz von schwerem Gerät. Auf halsbrecherischen Serpentinen transportieren Fahrer die tonnenschwere Last dann hinab zum Hafen von Carrara, von wo aus der Marmor seine Reise in die ganze Welt antritt.
Weißer Marmor von besonderer Reinheit
Der Marmor aus dieser Gegend ist weltweit wegen seiner weißen Reinheit geschätzt. Rund 190 Millionen Jahre alt sind die Felsmassive der Apuanischen Alpen. Da sich der Marmor tief im Innern der Berge befindet, muss man zunächst einen Arbeitskanal freisprengen, aus dem sich dann die begehrten Stücke mit schwerem Baumaschinen extrahieren lassen. Diamantsägen zerkleinern die riesigen Blöcke, die LKW anschließend ins Tal transportieren. Mit bis zu 38 Tonnen beladen schlängeln sich täglich 800 Laster durch die Marmorberge – jeder kleinste Fehler des Fahrers auf den engen und kurvenreichen Bergstraßen könnte tödlich enden.
Die etwa 190 Marmorsteinbrüche befinden sich hauptsächlich in den sogenannten drei Talbecken, die Bacino di Fantiscritti, Bacino di Torrano und Bacino di Colonnata heißen. Die meisten davon liegen in etwa 1.000 Metern Höhe. Nicht alle werden noch aktiv betrieben, einige sind bereits insgesamt stillgelegt.
Pro Jahr werden 5 Mio. Tonnen abgebaut
Durch ungünstige wirtschaftliche und politische Verhältnisse sowie durch Kriegseinflüsse blieb die Marmorproduktion in Carrara jahrhundertelang hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Gewinnung der schweren Steinblöcke war bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts überaus mühselig und aufwendig. Erst technische Neuerungen, wie die mit Dampf, Dieselkraftstoff und elektrischer Energie angetriebenen Steinbearbeitungsmaschinen, ermöglichten den Abbau in großem Umfang. Dadurch wurde Carrara zum internationalen Zentrum der Marmorbearbeitung. Erst Anfang der 1960er-Jahre gelang es letztendlich, die Produktion der Nachfrage anzugleichen, als die Steinbrüche in exponierter Lage durch ein Netz von Straßen erschlossen wurden. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch 100.000 Tonnen jährlich gewonnen wurden, sind es heute ca. fünf Millionen Tonnen.
Es gibt so gut wie keinen Abfall, die kleineren Steine zerreibt eine Mühle zu Kalk. Sie kommen anschließend z.B. in Zahnpasta oder Medikamenten zur Verwendung. Der Großteil der Steinbrüche ist über Tage, es gibt aber einige, die unter Tage abbauen, weil der Berg darüber nicht weiter abgetragen werden soll. Gründe hierfür sind der Naturschutz und das geschlossene Landschaftsbild. Neben der Verwendung für Bildhauerarbeiten und Denkmäler verbaut man Carrara-Marmor heute vor allem als Boden- und Treppenbeläge und Fensterbänke im Innenausbau sowie als Natursteinfliesen in Bädern. Die Steinbildhauer verwenden wie früher den legendären und teuren „Statuario“. Das ist eine der ca. 50 Carrara-Marmorsorten. Er ist sehr feinkörnig und schimmert weiß bis leicht gelblich.
Entstanden vor etwa 30 Millionen Jahren
Der Begriff „Carrara“ stammt aus dem Keltischen und steht für „Steinbruch“. Erste Belege für den Marmor-Abbau in dieser Gegend finden sich über 2.000 Jahre vor unserer Zeit. Entstanden ist das Gestein vor 30 Millionen Jahren, als sich die Kontinentalplatten von Afrika und Europa aufeinander zu bewegten und zu den Apuanischen Alpen auftürmten.
Zum damals vorherrschenden hohen Druck gesellten sich hohe Temperaturen, diese Kombination presste die Calcit-Ablagerungen aus abgestorbenen Meeresorganismen zusammen. Zurückgeblieben ist das „weiße Gold“, das für die Stadt mit etwa 65.000 Einwohnern, in der selbst Pflanzkübel und Bordsteine aus Marmor bestehen, mehr als ein bloßer Wirtschaftsfaktor zu sein scheint. Er ist Teil des Lebens in Carrara. Über die Lkw, welche die Marmor-Blöcke zu den Verarbeitungsbetrieben transportieren, regt sich niemand auf, sie gehören einfach zum Stadtbild. Etwa 1.000 Menschen verdienen ihr Geld in den Steinbrüchen, weitere 2.500 mit der Marmor-Verarbeitung und -Vermarktung. Und einige leben von den Touristen, in dem sie Besichtigungstouren innerhalb der Steinbrüche organisieren – in kleinen Gruppen für eine Stunde, aber auch individuelle Tagestouren für diejenigen, die es ganz genau wissen wollen.
Abbruch mit Caterpillar, Hitachi & Liebherr
Bei den eingesetzten Maschinen ist Caterpillar der Platzhirsch, gefolgt von Hitachi und Volvo. Alle Hersteller betreiben in Carrara zusätzliche Niederlassungen. Bei Cat sind die Radlader in der Größe 988 gefragt, insbesondere die Serien von F, G, und H bis hin zur aktuellen Serie K XE. Größere Radlader gibt es nicht, aufgrund der engen Zufahrtswege über die Serpentinen. Genaue Maschinenzahlen kann uns niemand nennen, aber unser Reporter vor Ort sah allein von der CAT 988-Serie circa 30 Maschinen.
Bagger sind meist in der Klasse von 70–100 Tonnen im Einsatz. Hier ist ebenfalls CAT ganz vorne, gefolgt von Hitachi sowie vereinzelt einigen Liebherr Maschinen. Die Bagger haben häufig nur sehr kleine (Reiß)-Löffel mit maximal vier Zähnen, meistens jedoch nur zwei. Diese sind sehr massiv ausgeführt und direkt angebaut, was die Losbrechkräfte entsprechend erhöht. Der Transport der Rohblöcke erfolgt durch 4-Achs-Lkw, diese dürfen beladen bis zu 60 Tonnen wiegen. Das ist eine spezielle Ausnahmeregelung nur für die Marmorbrüche bis hin zum Hafen Carrara, dort sind die meisten weiterverarbeitenden Betriebe angesiedelt. Übrigens werden die LKW-Fahrer per Tonne bezahlt, was zu regem Verkehr auf den Zufahrtsstraßen führt.
Eine Tonne kann bis zu 10.000 Euro kosten
Die Marmorblöcke bzw. Wände schneidet man ausschließlich mit Diamantseilen oder großen Kettensägen. Es wird nichts gesprengt, da der Carrara-Marmor zu weich ist und daher in zu kleine Teile brechen würde. Aus den Blöcken entstehen dann Tranchen, Platten, Fliesen und andere Steinprodukte. Die restlichen 20 Prozent an qualitativ nicht verwertbarem Marmor sowie Abbruch werden zerkleinert und finden in anderen Industriezweigen Verwendung, etwa im Straßenbau oder in der Glas- und Papierherstellung.
Auch bei der Herstellung bestimmter Spezialitäten spielt Carrara-Marmor eine entscheidende Rolle. Der sogenannte „Lardo“, ein Speck aus Colonnata, wird in mit Salzlake gefüllte Marmortröge ein halbes Jahr lang eingelegt. Die Behälter werden aus einem speziell ausgesuchten großkristallinen Carrara-Marmor gefertigt. Nur dieser eignet sich, um der Spezialität den besonderen Geschmack zu verleihen.
Der Preis für eine Tonne Marmor hängt von der Qualität ab, er reicht im Durchschnitt von 60 Euro bis 3.000 Euro, manchmal auch bis zu 10.000 Euro und mehr. Im Raum Carrara finden sich etwa 50 verschiedene Sorten, am wertvollsten ist der bereits oben erwähnte „Statuario“, denn das gelblich-gestreifte Material ist besonders feinkörnig und daher hervorragend für die Bildhauerei geeignet.
Quellen: Wikipedia, baunetzwerk.biz, geo.de
Fotos: Tom Kagerbauer & Thomas Schötz