Das höchste Holzhochhaus Deutschlands entsteht mit Liebherr Faserseil-Kranen
19 Etagen, 65 Meter Gebäudehöhe, drei Liebherr Turmdrehkrane: In der Hamburger Hafencity entsteht zurzeit ein Bauwerk der besonderen Art. Das Zusammenspiel aus Massiv- und Holzbau, Fibre-Kranen und der Lage dicht am Elbufer macht diese Baustelle besonders.
Drei Liebherr Turmdrehkrane im Einsatz
„Die hohe Hakenhöhe war der entscheidende Faktor, zwei Krane mit Faserseil einzusetzen – gegenüber dem Wettbewerb wies der 370 EC-B Fibre die höchsten Hubgeschwindigkeiten auf“, beschreibt Christopher Bäcker, Vertriebsaußendienst bei Friedrich Niemann GmbH & Co. KG die Herausforderung, die Baustelle im 2-Schichtbetrieb am Laufen zu halten.
Neukrane aus der Mietflotte
Der Baumaschinenhändler mit Sitz in Kronshagen bei Kiel hatte zwei 370 EC-B Fibre mit 87,7 beziehungsweise 77,4 Metern Hakenhöhe nach Hamburg gebracht. Die Ausladung betrug 60 und 47,7 Meter. Als dritter Kran kam ein 250 ECB 12 mit einer Hakenhöhe von 35 Metern und einer Ausladung von 44,15 Metern zum Einsatz. Alle drei Geräte waren bei der Montage Neukrane aus der Mietflotte von Niemann.
Mehrere 100 Kilogramm Gewichtsersparnis durch Faserseil
Das Faserseil bringt für die Friedrich Niemann GmbH & Co. KG eine enorme Gewichtsersparnis mit sich. Durch die hohe Hakenhöhe bei beiden 370 EC-B-Kranen bringen Stahlseile ein hohes Gewicht auf die Waage. Christopher Bäcker ist von dem Faserseil überzeugt: „Bei dieser Hakenhöhe macht das Faserseil für uns absolut Sinn, da wir sonst schon mehrere 100 Kilogramm Stahlseil mit uns ziehen und somit eine Menge Traglast verlieren.“
370 EC-B Fibre – maximale Hakenhöhe von 91,7 Metern
Das hochfeste Faserseil ermöglicht bis zu 20 Prozent höhere Spitzentraglasten gegenüber der Stahlseilvariante. Die Lebensdauer ist vier Mal länger bei gleicher Nutzung wie bei einem Stahlseil. Der 370 EC-B Fibre kommt auf eine maximale Hakenhöhe von 91,7 Metern, eine maximale Tragfähigkeit von 12 Tonnen und eine maximale Ausladung von 78 Metern. Bei der maximalen Ausladung können an der Spitze noch 2,8 Tonnen bewegt werden.
Holzbauweise ab dem dritten Geschoss
Anstelle der einstigen Docks und alten Lagerhallen entfaltet sich inmitten des Hamburger Stadtteils Hafencity eines der bedeutendsten innerstädtischen Stadtentwicklungsprojekte Europas. Das Quartier Elbbrücken wird durch das beeindruckende Holzhochhaus namens „Roots“ geprägt, das einen Panoramablick über Hamburg, den Hafen und die Elbkanäle für die Bewohner seiner 181 Wohnungen verspricht.
„Roots“ setzt sich aus einem 19-stöckigen Holzturm und einem siebenstöckigen Riegelbau zusammen. Für den Bau dieses architektonischen Meisterwerks werden etwa 5.500 Kubikmeter Konstruktionsholz aus Nadelhölzern verwendet – eine Leistung, die weltweit einen Rekord darstellt.
Diese Menge schließt jedoch das Material für Fassaden, Fenster und Beläge nicht mit ein. Zahlreiche Bauelemente wurden bereits im Vorfeld vorgefertigt und zur Baustelle transportiert, was einen effizienten Bauprozess ermöglicht.
Spezielles Hochwasserschutzkonzept
Die besondere Lage am Wasser erfordert ein spezifisches Hochwasserschutzkonzept für die Hamburger Hafencity. Ein entscheidendes Element dabei ist ein sogenanntes Warftgeschoss, das sich auf einer Höhe von acht oder neun Metern über dem Normalnull befindet und als Schutz vor Hochwasser fungiert.
Interessanterweise wird dieses Geschoss gleichzeitig als Tiefgarage genutzt. Während der Bauphase sah sich das Bauprojekt mit der Herausforderung von zwei Sturmfluten konfrontiert, was eine enorme Belastung für alle Beteiligten darstellte.
Wahl der Baumaterialien
Die Wahl der Baumaterialien spiegelt die Priorität des Hochwasserschutzes wider. Die Warft und die unteren Geschosse wurden in Stahlbetonbauweise errichtet, während ab dem dritten Obergeschoss sämtliche Decken und Wände aus Holz gefertigt sind. Diese Konstruktion gewährleistet nicht nur eine effektive Hochwasserabwehr, sondern verleiht dem Bau auch eine besondere ästhetische Note.
Gute Koordination und enge Abstimmung
Die Koordination während der Bauphase war besonders anspruchsvoll, da die Krane sowohl für die Hebungen der Betonteile als auch für die Holzkonstruktionen eingesetzt wurden. Eine enge Abstimmung zwischen den beteiligten Unternehmen sowie eine effiziente Koordination auf der Baustelle waren dabei unerlässlich, um den reibungslosen Ablauf sicherzustellen.
1.600 Holzbauelemente wollen gehoben werden
Das PEFC-zertifizierte Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt zu großen Teilen aus der österreichischen Steiermark, einer der waldreichsten Regionen Europas. Hauptsächlich kam Fichtenholz für die tragenden Wände zum Einsatz, aber auch kleinere Mengen Kiefern-, Tannen- und Buchenholz.
Offizieller Baustart für das „Roots“ war am 27. November 2020, die Grundsteinlegung am 13. September 2021. Die ersten Holzelemente trafen im Mai 2022 auf der Baustelle ein, millimetergenau gefertigt.
Erster Einsatz für den 370 EC-B Fibre mit 60 Meter Ausladung
Der erste Hub für das „Roots“ war ein 2,6 Tonnen schweres Fassadenelement mit einer Größe von 10,3 Metern auf 2,6 Metern. Ein leichtes Unterfangen für den 370 EC-B 12 Fibre mit 60 Meter Ausladung. Die folgenden Fassadenelemente kamen zumeist schon mit fertig montierten Fenstern und Loggien auf der Baustelle an.
Dieser hohe Grad an Vorfertigung hatte allerdings zur Folge, dass die Wandflächen meist verwinkelt waren und deshalb mit einer Traverse am Kranhaken befestigt werden mussten. Im Vorfeld galt es also bereits die genauen Anschlagpunkte an den Träger zu ermitteln, damit die Last beim Heben gleichmäßig verteilt und nicht schräg nach oben gezogen wurde.
Modulare Bauweise
Für den Holzturm wurden rund 1.200 vorgefertigte Holzelemente in unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlichem Gewicht verbaut. Das schwerste Element wog rund acht Tonnen und war knapp 14 Meter lang. Für den Riegelbau kamen insgesamt 400 Holzbauelemente zum Einsatz. Die modulare Bauweise mit dem hohen Maß an Vorfertigung sorgte für eine Zeit- und Kostenersparnis auf der Baustelle. Auch die dadurch reduzierte Lärmbelastung spiele eine große Rolle.
Liebherr Turmdrehkrane im Hamburger Hafenviertel
Die drei Liebherr-Flat-Top-Krane standen seit Juni 2021 in Hamburg, freistehend auf Fundamentankern montiert. Beide 370 EC-B Fibre wurden mit einem Liebherr Mobilkran LTM 1450-8.1 montiert, der 250 EC-B 12 mit einem der beiden Fibre-Krane. Die Demontage des 250 EC-B verlief analog zum Aufbau wieder mit einem der zwei 370 EC-B.
Im Anschluss wurde ein 370 EC-B von seinem Bruder demontiert. Der Abbau des letzten 370 EC-B folgte im Oktober 2023 ebenfalls mit einem Liebherr Mobilkran LTM 1450-8.1. Es war nicht der erste Einsatz für Liebherr Turmdrehkrane im Hamburger Hafenviertel: 25 Turmdrehkrane arbeiteten 2021 gleichzeitig im Stadtteil Überseequartier.
Wohnfläche, Gastronomie und neuer Sitz der Deutschen Wildtier Stiftung
Drei Hamburger Unternehmen sind für den Entwurf des Hochhauses zuständig beziehungsweise fungieren als Bauherren: Das Architekturbüro Störmer Murphy und Partners sowie Garbe Immobilien-Projekte und die Deutsche Wildtier Stiftung.
Nach seiner Fertigstellung, geplant für das 1. Quartal 2024, stehen rund 15.000 Quadratmeter Wohnfläche und 430 Quadratmeter Gastronomiefläche für circa 200 Personen zur Verfügung. In das Erd- und Teile des Warftgeschosses wird die Deutsche Wildtier Stiftung einziehen, ihre Büroräume sind im ersten Stock untergebracht.